Die hochherzige Unterstützung, die mir von der kön. ungarischen Regierung auch in dem zuletzt abgelaufenen Triennium gewährt wurde, ermöglichte eine intensive Fortsetzung des mit Hilfe der Drehwaage begonnenen Werkes. Auch war ich so glücklich, mich, wie schon, früher, auf die selbstlos hingebende Hilfe bewährter Mitarbeiter, der Herren Dr. D. Pekár und E. Fekete, sowie des Herrn K. Oltay verlassen zu können, zu denen sich in den Jahren 1909 und 1910 noch Herr A. Garcsár und im Jahre 1910 und 1911 Herr St. Rybár gesellten. Einigermaßen hinderlich war die provisorische Natur des ganzen Unternehmens, die es auch mir selbst nicht ermöglichte, mit ungeteilter Kraft seinen Fortschritt zu fördern. Trotzdem wurde ein tüchtiges Stück Arbeit geleistet.
Im Jahre 1909 haben wir unsere Beobachtungen an 87 Stationen ausgeführt, die längs einer Strecke von ungefähr 160 Kilometern zwischen Szeged-Szabadka-Baja-Zombor verteilt waren.
Die heimatliche Ebene verlassend, bezogen wir dann im Juli des folgenden Jahres 1910 das mehr als 1500 Meter über dem Meere gelegene Hochtal Cimabanche (Im Gemärk) in Südtirol, welches zwischen der Croda Rossa und den Ausläufern des Monte Cristallo gelegen, eine Wasserscheide zwischen dem Adriatischen und dem Schwarzen Meere bildet.
Abgesehen von der günstigen Lage dieses Ortes für magnetische Beobachtungen eigener Art, die den Hauptzweck dieses Unternehmens bildeten, veranlaßte uns zu seiner Wahl auch der Reiz der Beobachtung ungewöhnlich großer Schwerestörungen, wie sie dort vorauszusehen waren. Beobachtet wurde an 40 Stationen.
Im Herbst desselben Jahres kehrten wir in die Heimat zurück und konnten noch eine detaillierte Aufnahme des am Zusammenflusse von Theiß und Donau gelegenen Titeler Plateaus und seiner Umgebung mit 76 Stationen ausführen.
Das katastrophale Erdbeben vom 8. Juli 1911 in Kecskemét wurde bestimmend für unser Arbeitsprogramm des Jahres 1911. Durch die trockene Witterung dieses Jahres begünstigt, konnten die die Beobachtungen ausführenden Herren in diesem Jahre von Anfang August bis Mitte Dezember ununterbrochen im Felde bleiben. Sie brachten auch ein reiches Beobachtungsmaterial nach Hause, das nicht weniger als 131 Stationen umfaßt, die bei Szeged den Anschluß an schon durchforschte Gebiete herstellend, sich dann in der Umgebung von Kecskemét netzweise ausbreiten.
Auch über den Fortschritt der unsere Beobachtungen ergänzenden Pendelbeobachtungen kann ich einiges berichten. Herr K. Oltay bestimmte im Jahre 1911 mit dem Vierpendelapparate die Schwerebeschleunigung in Kecskemét und in sechs Stationen Siebenbürgens, dessen Durchforschung wir uns zur nächsten Aufgabe stellten.
Die Beobachtungen mit der Drehwaage wurden während des ganzen Trienniums stets mit zwei Instrumenten ausgeführt, die an jeder Station in Entfernungen von 10 bis 50 Metern voneinander aufgestellt waren. So konnten wir ein Maß der lokalen Einflüsse gewinnen und der Zuverläßlichkeit unserer Resultate mehr Gewicht verleihen.
Wie in früheren Jahren, so bestimmten wir auch diesmal an jeder Station auch die drei Elemente der erdmagnetischen Kraft.
Die rechnerische Bearbeitung all dieser Beobachtungen erforderte ein hartes Stück Arbeit und umfaßt in ihrer vollen Zusammenstellung ein Material, das im engen Rahmen dieses Berichtes keinen Platz finden kann und besonderen Publikationen vorenthalten bleibt.
Das hauptsächliche Interesse, das eine bis in kleine Einzelheiten gehende Erkenntnis der Schwerestörungen erregen mag, entspringt zweifellos dem Wunsche nach Aufklärungen über die Massenverteilung in der Erdkruste.
Wohl läßt die Kenntnis des Schwerekraftfeldes für sich allein noch keinen derartigen Schluß zu, doch tritt die Möglichkeit solcher Schlußfolgerung dann ein, wenn die Art der Massenbegrenzung im allgemeinen bekannt ist, oder wenn diesbezüglich berechtigte Annahmen den Folgerungen zugrunde gelegt werden können. Tiefebenen, wie das ungarische Alföld, eignen sich besonders zu derartigen Betrachtungen.
Es breitet sich da ein von Bergen umkränztes Becken vor unseren Augen aus, dessen feste Gesteine sich an den Rändern in die Tiefe versenken, um sich dort dem unsichtbaren festen Boden anzuschmiegen. Dieses von festen und entsprechend dichten Gesteinen gebildete Becken ist mit lockeren Massen von geringerer Dichte, wie Sand, Lehm und Kies, bis zur Höhe der ebenen Oberfläche ausgefüllt.
Nehmen wir nun an, daß die mittlere Dichte der festen Gesteine 2,6, die der das Becken füllenden lockeren Massen dagegen 2,0 sei, so erhalten wir für die sprungweise Änderung der Dichte an ihrer Grenzfläche den Wert 0,6. Auch die Dichten der im festen Grunde nebeneinander gelagerten Gesteine sind verschieden, doch sind die Dichtedifferenzen an ihren Grenzflächen im allgemeinen kleiner, selten größer als 0,1 bis 0,2.
Da sich nun die Gradienten der Schwerkraft durch Integrale darstellen lassen, die über die Grenzflächen je zweier heterogener Massen ausgedehnt, mit ihrer Dichtedifferenz proportional sind, so ist es klar, daß die Gradientenwerte überwiegend von der Konfiguration der festen Bodenfläche abhängig sein müssen, da diese nicht nur dem Beobachtungsorte am nächsten liegt, sondern sich auch durch einen größeren Wert der Dichtendifferenz auszeichnet. Das gleiche können wir bezüglich jener durch die Drehwaage erkennbaren Größen behaupten, die von der Krümmung der Niveaufläche abhängen.
Vollen wir in erster Annäherung annehmen, daß die beobachteten Störungen einzig und allein von der Form dieser Bodenfläche abhängen, dann gelangen wir zu einer sehr einfachen bildlichen Darstellung der Massenverteilung. Die auf Grundlage der Störungsgradienten berechneten und gezeichneten Linien gleicher Schwerestörung erhalten dann die Bedeutung von Isohypsen des festen Grundbodens, deren Abstand nach der Näherungsformel:
leicht zu berechnen ist.
In unserem Falle, in dem wir die Dichtedistanz: , die Gravitationskonstante: G = 66·10-9 zu setzen haben, entspricht dann einer Schweredifferenz von C.G.S. eine Höhendistanz von c, also rund 40 Metern.
So verlockend durch ihre Einfachheit eine derartige Deutung der Beobachtungsresultate wäre, dürfen wir uns doch nicht verleiten lassen, der ihr zugrunde liegenden Annahme eine unbedingte Gültigkeit beizulegen. Wir müssen vielmehr bedenken, daß in der Tiefe des Beckens auch Flußablagerungen, Mergelschichten, tuffartige Gebilde, Salz- und Kohlenlager usw. vorhanden sein können, Massen, deren Dichte wohl kleiner als 2,6, doch größer als 2,0 ist. In aller Strenge dürfen wir deshalb die Schar der Linien gleicher Störung nur als ein Bild betrachten, welches uns nicht mehr als das Vorhandensein von Massenhäufungen und Massendefekten erkennen läßt.
Zur näheren Erkenntnis mögen Betrachtungen geologischer Natur herangezogen werden. Aber auch dem Physiker steht zu solcher Forschung ein mächtiges Hilfsmittel zu Gebote in Beobachtungen der erdmagnetischen Kraft, die, in entsprechender Weise ausgeführt, manchen wichtigen Aufschluß über das Vorhandensein und die Lagerung magnetisch wirkender Gesteine (Eruptivgesteine) eröffnen können. Zu solchem Resultate führen aber nur Beobachtungen, die, in einem gehörig dichten Netze verteilt, die Einzelheiten des Verlaufs der Störungen zu erkennen gestatten.
Die Daten einer magnetischen Landesaufnahme mit der heute noch üblichen mittleren Entfernung ihrer Stationen von dreißig, fünfzig oder noch mehr Kilometern für unsere Zwecke benützen zu wollen, wäre ebenso verfehlt, wie es unsinnig wäre, das Relief eines Landes auf Grundlage von wenigen Höhenpunkten darstellen zu wollen, die in so großen Entfernungen voneinander abstünden und überdies noch ohne System über das Land verteilt wären.
Unsere eigenen magnetischen Beobachtungen hielten stets gleichen Schritt mit der Drehwaage, sie beziehen sich also auf eine große Zahl netzförmig verteilter Stationen, deren mittlere Entfernung je nach den Eigenheiten der durchforschten Gegend verschieden, aber nie größer als vier Kilometer war. Obendrein haben wir noch, wo es wünschenswert schien, zwischen zwei benachbarte Hauptstationen rein magnetische Zwischenstationen eingefügt.
Natürlich kann bei so kurzen Schritten auch der Fortschritt nur ein langsamer sein. Die stattliche Zahl von 726 Hauptstationen, an denen wir unsere Beobachtungen seit dem Jahre 1902 erledigten, bildet kaum den zehnetn Teil der zu einer gründlichen Erforschung des Alföld erforderlichen.
Die bisher erforschten Bruchteile des ganzen Gebietes geben uns aber schon manche Andeutung über Art und Wesen der in der Tiefe verborgenen Gebilde. So glaube ich, ohne voreilig zu sein, auf einen Unterschied hinweisen zu können, der zwischen diesen und den zutage tretenden Massenanhäufungen zu bestehen scheint. Während uns nämlich an der freien Oberfläche hauptsächlich in Reihen gegliederte, vielfach zerklüftete Gebirgszüge in die Augen fallen, ermöglicht uns die Drehwaage in der Tiefe Massenanhäufungen von mehr abgerundeter Form zu erkennen, die sich mit sanft ansteigenden und fallenden Böschungen weit ausbreiten. Es sind Formen, wie sie am Meeresgrunde vorkommen, die auch eine gewisse Ähnlichkeit mit den tiefer liegenden Gebilden der Mondoberfläche zeigen. Vielleicht treten uns hier die Urformen der Erdkruste entgegen, die, von den störenden Einflüssen von Wasser und Luft geschützt, während des Wechsels geologischer Epochen unverändert erhalten blieben. Gewiß gewinnt unsere Aufgabe in dieser Auffassung viel an Interesse, sie wird ähnlich der des Archeologen, der aus der Tiefe schützender Sandschichten wohlerhaltene Merkmale alter Kulturwerke zutage fördert.
Ich möchte hier an einem Beispiele zeigen, was durch Untersuchungen oben besprochener Art zu erreichen ist. Hierzu wählte ich die von uns eingehender durchforschte Umgebung von Kecskemét.
Diese Stadt liegt in dem zwischen Donau und Theiß etwas erhöhtem Teile der großen ungarischen Ebene (Alföld) auf meist sandigem, hügeligem Boden. Obst- und Weingärten umgeben sie, vereinzelt stehende Gehöfte bedecken ihr sich weit ausbreitendes Areal. Diese meist von Landwirten bewohnte Stadt, die im Auslande höchstens durch ihren bedeutenden Obstexport bekannt sein mag, lenkte am 8. Juli 1911 die Aufmerksamkeit der ganzen gebildeten Welt durch ein mächtiges Erdbeben auf sich, welches die seismischen Apparate Mitteleuropas (so auch die hier in Hamburg aufgestellten) in Bewegung setzte, an Ort und Stelle aber wahrhaft katastrophale Wirkungen verursachte. Schornsteine und Mauern stürzten ein oder bekamen starke Risse, Dachfirste, Gesimse wurden verschoben, Grabsteine von ihrer Stelle gerückt, ja in der ganzen Stadt blieb kaum ein Haus unbeschädigt. An Menschenleben geschah merkwürdigerweise kein Schaden, obwohl die Katastrophe zur Nachtzeit erfolgte. Dieser glückliche Umstand ist allein den dem Hauptstoße vorangehenden Erschütterungen zu verdanken.
Herr A. Réthly, der die Daten dieses Bebens in den Mitteilungen der Ungarischen Geographischen Gesellschaft (Földrajzi Közlemények XXXIX. S. 391-420) sorgfältig zusammengestellt hat, schätzt ihre Stärke auf 9-10 Grade der 12gradigen Skala.
Aus dieser wertvollen Zusammenstellung erfahren wir auch, daß dem mächtigen Hauptstoße ein langanhaltendes Dröhnen von mehreren Sekunden vorausging und daß auch die folgenden Nachstöße von einem ähnlichen Schallphänomen begleitet waren.
Auch an dem Wasserstande mehrerer Brunnen zeigte sich eine merkliche Veränderung, in einigen eine Erhebung von nahezu einem Meter. Östlich von der Stadt entstand sogar in sandigem Boden ein den Schlammvulkanen ähnliches Gebilde, indem das dort etwa fünf Meter tief liegende Grundwasser durch feine Risse emporsteigend, oben eine rundliche Öffnung bildete und in dieser bedeutende Massen von Grundschlamm zutage brachte. Herr A. Réthly verlegt das Epizentrum des Bebens an den Ort dieses "Schlammvulkanes" mit den Koordinaten:
ö. v. Gr. Höhe = 130 m.
In der beigefügten Karte ist dieser Punkt mit C bezeichnet.
Der mächtige Erdstoß, von dem ich bisher berichtete, war nicht der erste und letzte, der die Bewohner Kecskeméts erschreckte. Schon im Jahre 1908 wurde am 7. März ein schwächeres Beben verspürt, dann am 24. Mai ein stärkeres (7°), dem am 28. Mai ein noch bedeutenderes (8°-9°) folgte, das sich dann in einem lange anhaltenden Schwarm von Nachstößen fortsetzte.
Auch der Stoß vom 8. Juli 1911 war kein vereinzelter. Nach den Angaben des Herrn A. Réthly konnte vielmehr der Boden im Stadtgebiete vom 1. Juni bis zum 23. September nicht recht zur Ruhe kommen, in welcher Zeit nicht weniger als fünfzig einzelne Stöße gezählt werden konnten.
Mit vollem Rechte können wir also Kecskemét als den Ort eines Erdbebenherdes bezeichnen, an dem fortdauernd wirkende Ursachen von Zeit zu Zeit heftige Bewegungen auslösen. Diesen Herd zu erforschen, stellten wir uns zur Aufgabe.
Von dem Bereiche älterer Beobachtungen bei Szeged nach Norden abzweigend untersuchten wir zu diesem Zwecke, vor allem die von dort nach Kecskemét führende Strecke. Charakteristisch für den hier durchquerten Teil der Ebene sind die geringen Werte der Störungsgradienten, die im allgemeinen nach Süden gerichtet, einen sanft geneigten Abfall des dichten Felsengrundes von Szeged bis in die Nähe von Kecskemét vermuten lassen. In einer Entfernung von 15-20 Kilometern im Süden von Kecskemét beginnt aber das unterirdische Terrain schon mannigfaltiger zu werden. Von dort ab haben wir denn auch unsere Beobachtungen in ein sich nach beiden Richtungen der Ebene ausbreitendes Netz ausgedehnt. Die Stationen wurden in die Eckpunkte nahezu gleichseitiger Dreiecke verlegt, deren Seitenlänge ungefähr 4 Kilometer beträgt.
Beobachtungen und Berechnungen haben wir in gewohnter, schon in früheren Berichten angegebener Weise ausgeführt.
Zur Veranschaulichung der uns hier am meisten interessierenden Resultate dient die beigefügte Karte.
Mit der Bezeichnung "Gradienten der Schwerestörung" sind da jene Größen eingetragen, die ich in früheren Berichten der strengeren Unterscheidung wegen auch "subterrane Störungswerte der Gradienten" nannte.
Diesen Gradienten entsprechend, habe ich die Werte der Schwerestörung mit Hilfe einer Ausgleichung berechnet, wobei der für Kecskemét durch Pendelbeobachtungen gewonnene Wert:
zugrunde liegt. Die Linien gleicher Schwerestörung sind in unserer Karte eingetragen.
Auch die Störungen der erdmagnetischen Kraft sind dort veranschaulicht, jedoch in einer eigentümlichen Weise, die von der üblichen sehr verschieden ist.
Die Störungen im untersuchten Gebiete sind nämlich überaus klein, sie sind nirgends größer als etwa der dreihundertste Teil des Wertes der ganzen magnetischen Kraft, so daß sie sich hauptsächlich nur durch die räumliche Änderung ihrer Größe und Richtung erkennen lassen.
Die Abweichung der beobachteten Werte der Intensitätskomponenten von so unzureichend definierten Werten, wie es die sogenannten Normalwerte sind, kann in Fällen, wie der unsere, zur Feststellung des Ortes und der Größe magnetischer Störungen kaum mehr zu Rate gezogen werden. Mit voller Zuversicht können wir uns aber zu diesem Zwecke der Gradienten der Intensität bedienen, die selbst in unserem wenig gestörten Gebiete große Werte annehmen, die nicht selten das Zehnfache ihres normalen Wertes und auch mehr erreichen.
Aus Gründen, deren Erörterung schon ihrem Gegenstande nach nicht hierher gehört, wählte ich zur Charakterisierung der magnetischen Anomalie eine durch die Gradienten bestimmte Größe: A, deren Bedeutung bezüglich magnetischer Kräfte dieselbe ist, wie die der Größe R bezüglich der Schwerekräfte. Zur Feststellung dieser Größe bezeichnen wir in einem Punkte: x, y die Nordkomponente der erdmagnetischen Kraft mit X, ihre Ostkomponente mit Y, und bilden die Differentialquotienten:
Ziehen wir von diesen Werten ihre entsprechenden Normalwerte ab, so erhalten wir die Störungswerte:
Wir setzen dann:
und bestimmen die Richtung dieser Anomalie durch den Winkel , den sie mit der X-Achse bildet, durch die Gleichung
In unserer Karte sind Größen und Richtungen dieser Anomalie in rotem Drucke dargestellt.
Diese Art der Darstellung, welche die Existenz und den Ort magnetischer Störungen unzweifelhaft erkennen läßt, bietet obendrein den grossen Vorteil, daß sie schon auf der Grundlage von Beobachtungen in einem kleineren Gebiete ausführbar ist, ohne daß es nötig wäre, die Vollendung einer weit ausgedehnten Landesaufnahme abwarten zu müssen. Die hier beigefügte Karte habe ich noch durch die Zeichnung einiger Isoseisten vervollständigt.
Hier sind drei Isoseisten (7°, 8°, 9°) des Bebens von 1911, nach Angabe des Herrn A. Réthly und je eine Isoseiste der zwei stärkeren Beben des Jahres 1908 eingetragen.
So zeigt uns schon ein flüchtiger Blick, in wie enger Beziehung Massenaufbau und Erdbeben zueinander stehen.
Den Westrand von Kecskemét berührend, sehen wir da ein abgerundetes Gebiet mit bedeutendem Massendefekt, umgeben von drei größeren Massenstücken, deren verschiedene Qualität sich durch den verschiedenen Grad ihrer magnetischen Wirkungen kundgibt. Den vorangehenden Annahmen gemäß können wir uns diese Massenverteilung kaum anders vorstellen, als in der Form einer von Bergen bekränzten Mulde, die sich unter der das Ganze bedeckenden Sanddecke vertieft.
Im Osten steigt da ein Berg eruptiven Charakters mit weit ausgebreiteten Flanken bis zu einer Höhe von etwa 500 Metern empor, im Süden erstreckt sich ein mäßig hoher länglicher Rücken ebenfalls aus eruptivem Material bestehend, im Nordwesten aber sind magnetisch unwirksame Gesteine zu einem Berge aufgebaut, der seine Nachbarn an Höhe überragt.
Form und auch Art der Gesteinsverteilung zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit den Gebilden der Insel Santorin, die ich aber heute nur eben anzudeuten wage.
Als deutlich klargelegt erachte ich es aber, daß wir den Herd jener Veränderungen, die sich durch Erdbeben wiederholt kundgaben, in der zentralen Mulde zu suchen haben. Auch Herr A. Réthly verlegt das Epizentrum des Bebens von 1941 dorthin.
Gewiß ist es auffallend, daß wir den Herd der Erschütterungen nicht in die Mitte der Isoseisten, sondern an einen Ort südlich von ihr verlegen. Doch gibt uns eben die Verteilung der festen Gesteine hierfür eine einfache Erkläcung. Die sich in diesen Gesteinen als elastische Schwingungen fortpflanzenden Erschütterungen müssen ja an jenen Orten der Oberfläche stärkere Wirkungen hervorrufen, wo sie ihr näher kommend, in den dort weniger dicken lockeren Schichten eine geringere Abschwächung erleiden.
Die Isoseisten folgen tatsächlich den in unserer Karte dargestellten Höhenzügen, am auffallendsten die des Jahres 1911, die auf Grundlage eines größeren Beobachtungsmaterials auch mit größerer Genauigkeit gezeichnet werden konnten.
Eine Frage, für den Seismologen von besonderem Interesse, ist die nach der Tiefe des Erschütterungsherdes.
Herr A. Réthly versuchte diese mit Hilfe einer Cancanischen Gleichung zu bestimmen. Für das Beben von 1911 konnte er aber infolge außerordentlicher Größe der Restfehler zu keinem befriedigenden Resultate gelangen. Eine bessere Übereinstimmung der einzelnen Rechnungswerte erhielt er dagegen für das Erdbeben vom 24. Mai 1908. Sonach wäre die gesuchte Tiefe: h = 4 Kilometer. Auf Grundlage meiner eigenen Beobachtungen kann ich leider nicht viel zur näheren Aufklärung dieser Frage beitragen.
Dürften wir annehmen, daß die Schwereänderungen von nichts anderem abhängen, als von der Gestaltung eines Felsengrundes von überall gleicher Dichte = 2,6, mit der darüber liegenden Sanddecke von der Dichte = 2,0, so ließe sich allerdings die Tiefe dieses Felsengrundes angeben. Da nämlich nach unseren Beobachtungen die Schwere in Kecskemét um etwa 0,025 C.G.S. geringer ist als bei Kuvin, Kovaszinc und Világos, wo die Grundfelsen zutage treten, so müßte der Felsengrund am ersten Orte um 25.40 = 1000 Meter unter der freien Oberfläche liegen.
Doch wird eine solche Annahme hinfällig, wenn wir bedenken, daß bei der etwa 150 Kilometer erreichenden Entfernung beider Orte ihre Schweredifferenz auch die Folge von Massen sein könnte, die in großer Tiefe liegen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Mulde bei Kecskemét bis in größere Tiefen mit lockerem Materiale mittlerer Dichte ausgefüllt ist.
Um zu einer tiefer gehenden Einsicht dieser Verhältnisse zu gelangen, bedarf es noch vieler sich über das ganze Becken erstreckender Schweremessungen. Insbesondere könnte aber eine derartige Forschung durch Tiefbohrungen unterstützt werden, deren Ort nach Angaben der Drehwaage auszustecken wäre.
Verfrüht wäre es auch, wenn ich mich heute schon über die Art und die Ursachen der im Kecskeméter Erdbebenherde entstehenden Erschütterungen entscheidend aussprechen wollte. Vorläufig möchte ich selbst die Möglichkeit von Vorgängen endogener Natur nicht ganz ausschließen, doch halte ich es für um vieles wahrscheinlicher, daß die Bewegungen im Herde nur solche sind, durch welche die Schwerkraft ihr Nivellierungswerk verrichtet. Zwei Vorgänge verschiedener Art sind da besonders ins Auge zu fassen. Erstens eine Hebung der in der Mulde und über ihr liegenden Massen durch den von unten nach oben wirkenden Überdruck, zweitens eine Senkung der freien Oberfläche infolge einer Verdichtung der unter ihr liegenden lockeren Massen.
Ob während des Bebens von Kecskemét eine Hebung oder eine Senkung an der Oberfläche stattgefunden, konnten wir nach den vorhandenen Merkmalen nicht entscheiden; so müssen wir denn auch die Frage nach den Ursachen der Erschütterung vorläufig unbeantwortet lassen. Um ihrer Lösung näher rücken zu können, wäre es wünschenswert, in diesem nunmehr näher bekannten Gebiete seismische Registrierapparate an entsprechend gewählten Orten aufzustellen und in Gang zu setzen. Andererseits ist aber eine mächtige Förderung der Seismologie auch von Schwereuntersuchungen mit Hilfe der Drehwaage zu erwarten, die sich auf möglichst viele und mannigfaltige Erdbebengebiete erstrecken sollten.
Mit aufrichtiger Freude kann ich melden, daß derartige Arbeiten im Zuge sind. Auf Veranlassung des Herrn Professors K. v. Gorjanovic-Kramberger wird Herr Professor A. Gavazzi die Erforschung des hochinteressanten Gebietes von Zagreb noch in diesem Jahre beginnen. Auch Herr Professor E. Soler in Padua steht mit den nötigen Instrumenten ausgerüstet zu ähnlicher Arbeit bereit. Sein Ziel ist das Gebiet nächst der Euganeischen Berge. Diesen beiden Unternehmungen kommen die gleichen Vorteile der Bodenbeschaffenheit zugute, wie meinen eigenen in der Umgebung von Kecskemét.
Hoffentlich werden wir auch bald erfahren, ob das von uns nach Japan gelieferte Instrument dort bei möglicherweise ungünstigeren Terrainverhältnissen doch mit gewünschtem Erfolg benutzt werden konnte.
Das Hochtal bei Cimabanche, das wir im Sommer 1910 bezogen, liegt zwischen den Ausläufern des Monte Cristallo (3199 m) und der Croda Rossa (3148 m), seine Richtung ist im allgemeinen eine westöstliche, im untersuchten Teile mit einem Winkel von etwa 60 Graden von Norden nach Osten abweichend. Der in einer Breite von etwa einem halben Kilometer leidlich ebene Teil der Talsohle, wo wir die Beobachtungen ausführten, liegt in einer mittleren Höhe von 1520 Metern ü. d. M.
Geröllmassen, oben auch feiner Geröllsand, Vegetation führender Humus, morastige Wiesen und auch ein kleiner See, der Lago bianco, bilden diese Talsohle. An ihren Seiten fallen die bewaldeten Berglehnen mit Neigungen von 20 bis 40 Graden und mit scharfen Rändern in fast horizontale Bodenteile ein.
In so großer Nähe mächtiger Bergmassen waren ungemein große Gradientenwerte zu erwarten. Subterrane Störungen, von so großen Störungen sichtbarer Massen, durch Beobachtung und Rechnung abzutrennen war hier nicht mehr möglich. Wir beschränkten uns deshalb auf die Bestimmung der Lokalwerte, wie sie sich aus den Beobachtungen mit der Drehwaage unmittelbar ergaben. Die ganze Untersuchung hatte sonach mehr den Charakter bestätigender Versuche, nicht aber den einer Forschung nach Unbekanntem. Beobachtungen an 40 Stationen dienten zu diesem Zwecke.
Wie es vorauszusehen war, fanden wir die Gradienten an beiden Rändern des Tales normal nach dessen Mittellinie gerichtet, mit nach dieser Mitte zu abnehmenden Werten. Der größte beobachtete Wert, in einer Entfernung von etwa drei Metern vom Südrande war 264·10-9 C.G.S.
Durch ihre Größe noch auffallender werden diese Störungen, wenn wir uns einer Betrachtung der Niveaufläche und ihrer Krümmungsverhältnisse zuwenden.
Der sichtbaren Massenlagerung entsprechend ist zwar in der Längsrichtung des Tales keine bedeutende Abweichung der Krümmung von ihrem normalen Werte zu erwarten, doch muss sich eine solche von außerordentlicher Größe in der Querrichtung zu erkennen geben.
Die Beobachtungen zeigten nun, daß die Hauptkrümmungslinien im Tale, tatsächlich ihrer Längsrichtung parallel und normal verlaufen, und entsprachen auch bezüglich der Größe der Krümmungsstörungen den Forderungen theoretischer Berechnung.
Zur näheren Erklärung dieser Verhältnisse müssen wir die Größe: R zu Rate ziehen. Bezeichnen wir die Koordinaten eines Punktes längs und normal der Talrichtung mit l und t, die ebenso gerichteten Hauptkrümmungsradien mit und , so wird:
wo für g der Wert der Beschleunigung in der Breite von 46°37' und einer Höhe von 1500 Metern zu setzen ist, also:
Der größte Wert von R, den wir am Südrande des Tales, dicht am Lago bianco fanden, war nun: R = 1487·10-9 C.G.S., der kleinste in seinem mittleren Teile: R = 734·10-9 C.G.S. Dementsprechend erhalten wir am Südrande des Tales:
und in der Talmitte:
Nehmen wir nun, wie oben, an, daß der Krümmungsradius in der Längsrichtung des Tales wenig von seinem normalen Werte verschieden sei und setzen dem Orte und Azimute entsprechend:
so ergibt sich am Südrande des Tales:
und in der Talmitte:
Dieser Krümmungsradius quer zum Tale erreicht somit am Rande den dreißigfachen und in der Mitte noch nahezu den zweifachen Wert seiner normalen Größe.
Weitere Eigentümlichkeiten dieses so stark verbogenen Stückes der Niveaufläche sollen gelegentlich der vollständigen Veröffentlichung der Beobachtungen besprochen werden.
Wiederholt ist mir die Frage gestellt worden, ob es möglich sei, praktischen Nutzen aus meinen Beobachtungsmethoden zu ziehen. Ob denn mit ihrer Hilfe die Orte vergrabener oder in der Meerestiefe versunkener Schätze nicht angegeben, ob Quellen, Erz-, Kohlen- und Salzlager nicht entdeckt werden könnten. Will denn da nicht etwa die Wissenschaft durch ihre Drehwaage ein viel älteres Instrument, die Wünschelrute verdrängen, das dem Glauben seinen vielhundert Jahre alten Ruhm verdankt? Nein, wir wollen das nicht, heute gewiss nicht, da wir nicht mehr, als die ersten tastenden Schritte getan. Durch systematisch fortgesetzte Arbeit in der Erkenntnis verborgener Massenverteilung vorwärts schreitend, werden wir aber unzweifelhaft allmählich auch der Möglichkeit näher rücken aus der Gesamtheit der Massen die praktisch wertvolleren abzutrennen. Hierzu stehen ja der Wissenschaft noch so manche Mittel zu Gebote.
Die Trennung elektrischer Leiter von Nichtleitern mit Hilfe elektrischer Wellen, wie es Herr Dr. Löwy in Göttingen vorgeschlagen, Bestimmungen der elektrischen Leitfähigkeit durch magnetische Wirkungen, die Leitungsfähigkeit für Wärme, Schall und Erschütterungen, sie alle sind Hilfsmittel, von denen bis heute kaum ein Gebrauch gemacht wurde.
Wie aber in besonderen Fällen schon die Drehwaage allein einen Fingerzeig von praktischem Werte geben könnte, soll an folgendem Beispiele erklärt werden.
Das emsige Suchen nach neuen Quellen benutzbarer Energie hat in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit vieler Praktiker auch auf die brennbaren Erdgase gerichtet. In Ungarn z. B. fanden die aus manchen Bohrlöchern des Alföld ausströmenden Gase schon seit mehr als zwei Jahrzehnten zu Beleuchtungszwecken und zu motorischem Betriebe einige Verwendung. In den letzten drei Jahren ist aber, infolge der Erschließung von überaus reichen Gasquellen in Siebenbürgen, die Frage nach dem Vorkommen solcher Gase zu einer Frage von ganz außerordentlichem wirtschaftlichen Interesse herangewachsen. Ein einziges dort eröffnetes Bohrloch von 302 Meter Tiefe bei Kis-Sármás, liefert in der Sekunde 10,55 m3, also im Verlaufe von 24 Stunden nahezu eine Million Kubikmeter chemisch fast reines Methangas.
Wo soll nun nach solchen Gasen gebohrt werden? Die Geologen scheinen darüber einig zu sein, daß in Gase enthaltenden Gebieten die ausgiebigsten Ergüsse in unmittelbarer Nähe der Antiklinalen (Rücken) der die Gase führenden und sie bedeckenden Schichten erfolgen. Hierfür sprechen die in Amerika (Ohio) gemachen Erfahrungen und auch die Beobachtungen in Siebenbürgen selbst, soweit dort die Lagerung und Faltung der Schichten durch geologische Forschung aufgeklärt werden konnte.
Solche geologische Merkzeichen fehlen aber ganz an der Oberfläche der mit Sand und Humus bedeckten großen ungarischen Ebene (Alföld). Wer da und in ähnlichen Gebieten nach Gase führenden Antiklinalen sucht, sollte ja nicht versäumen, sich aus Beobachtungen mit der Drehwaage Rat zu holen. Mit welchem Erfolg, das soll uns die Zukunft lehren.
In diesem meinem Berichte habe ich wohl manche Frage berührt, deren Lösung außer der streng gezogenen Grenze jener Aufgaben liegt, die sich die internationale Erdmessung ursprünglich zum Ziele setzte. Doch durfte, ja mußte ich jener Bereitwilligkeit Rechnung tragen, mit der die Aufforderung der internationalen Assoziation der Akademien hier aufgenommen wurde bezüglich solcher Schwereuntersuchungen, die der Geologie und der Seismologie zugute kommen sollen.
Zur Erfüllung dieses Wunsches wollte ich einiges beitragen.